Riesiges Polarlicht über Marburg (6.4.2000)

von Ingo Flick

Gestern, am 6.4.2000, erhielt ich so gegen 22:20 Uhr den Anruf eines Vereinskameraden von der Volkssternwarte. Er teilte mir aufgeregt mit, daß am Nordhimmel ein Polarlicht zu sehen sei. In Windeseile zog ich warme Kleidung an und fuhr auf einen nahe gelegenen Berg. Meine Erwartungen war nicht allzu groß, denn die Schilderungen von Bekannten, die bereits Nordlichter von unseren Breiten aus gesehen hatten, waren nicht besonders eindrucksvoll gewesen. Daher erwartete ich auch ein eher unscheinbares Ereignis.

Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte ich zunächst nur ein schwaches rotes Glühen, etwa wie von einem weit entfernten Großfeuer. Doch die Erscheinung war nicht etwa Richtung Norden zu sehen, wo ich sie auf Grund unserer großen Entfernung zum Polarkreis erwartet hätte, sondern fast im Osten, genauer in Ost Nord Ost. Schnell bemerkte ich, daß das Ganze sehr dynamisch war. Obwohl das rote Leuchten noch sehr schwach war, änderte sich seine Form ständig. Dann wurde das es immer heller und war jetzt sehr gut zu sehen. Zwischendurch zeigten sich streifige Muster. Der Anblick erinnerte mich an einen Vorhang, der in Zeitlupe vom Wind bewegt wird. Jetzt sah ich auch ab und zu helle, farblose, fast senkrechte Streifen, die mehr in nördlicher Richtung zu sehen waren und schnell wieder verschwanden.

Richtung West Nord West, wo bei meiner Ankunft kaum etwas zu erkennen gewesen war, begann es jetzt ebenfalls rot zu glühen. Auch dort wurde das Leuchten allmählich immer heller. Was anschließend geschah, sollte meine kühnsten Vorstellungen übertreffen. Ganz langsam spannte sich von beiden Seiten her ein Bogen aus roten Vorhängen auf, der vom West Nord West bis Ost Nord Ost reichte und in der Höhe sogar noch den Polarstern einschloß. Das Ganze war jetzt fast so deutlich zu sehen, wie man es von Fotos aus Skandinavien oder Alaska kennt.

Der riesige Bogen aus rötlich leuchtendem, ionisiertem Gas, der den ganzen nördlichen Himmel bedeckte, war nur für kurze Zeit so eindrucksvoll zu sehen. Dabei zeigten sich immer wieder fast senkrechte Streifen, die sich in Zeitlupe bewegten und wieder verschwanden. Allmählich verlor das Schauspiel seinen Glanz und beschränkte sich schließlich nur noch auf einen schmalen Bereich im Nordwesten. Seit meiner Ankunft auf dem Berg waren vielleicht 25 Minuten vergangen. Es war jetzt etwa 23 Uhr.

Das immer schwächer werdende Leuchten im Westen konnte ich auch noch kurz nach Mitternacht von zu Hause aus beobachten, von wo aus ich schnell noch ein paar Fotos schoß.

Inzwischen ist es 0:45 Uhr am 7.4.2000 und ich bin immer noch tief beeindruckt von diesem absolut grandiosen Himmelsphänomen. So einen Eindruck hatte zuletzt nur die Sonnenfinsternis am 11.8.1999 auf mich gemacht und vielleicht damals der Komet Hale-Bobb, als ich ihn zum ersten Mal sah. Jetzt warte ich sehnsüchtig auf den nächsten nächtlichen Anruf meiner Vereinskameraden...




Bitte schreiben Sie mir, falls auch Sie dieses oder andere Nordlichter beobachtet haben. Es würde mich sehr interessieren, wie Sie dieses Schauspiel erlebt haben.